Thema des Monats
Motivation und Erfolg: Buch-Neuerscheinung "Authentische Karriereplanung"
"Da unsere Handlungen von unserer Motivation gesteuert werden, sollten wir versuchen, diese zu kontrollieren." Diese Aussage stammt nicht etwa von einem Karriere- oder Managementtrainer, sondern vom geistigen und politischen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama. Was grundsätzlich für alle Lebensbereiche gilt, trifft in Sachen gezielte und vor allem erfolgreiche Karriereplanung erst recht zu: Motivation ist der Schlüssel zum Erreichen persönlicher, sportlicher und eben auch beruflicher Ziele. Um kaum einen Erfolgsfaktor ranken sich jedoch so viele Mythen und Missverständnisse wie um das Thema Motivation. Dass Menschen durch besonders hohe Gehälter oder das Prestige einer Führungsposition motiviert werden, ist ein ebenso weitverbreiteter Irrtum wie die Vorstellung, Motivation sei gleichbedeutend damit, jeden einzelnen Tag Spaß an der einmal gewählten Aufgabe zu empfinden.
Tatsächlich beschäftigt die Frage, wie dauerhafte Motivation – und damit Handlungskraft und Leistunsstärke – zu erreichen ist, Psychologen und Wissenschaftler seit Jahrzehnten. Menschen, die beruflich mit Personalauswahl und -entwicklung zu tun haben, stellen oft fest, dass manche Menschen sehr wohl durch Faktoren wie Einfluss und Ansehen motiviert werden. Sie sehen aber auch, dass andere, sobald sie die vermeintlich ersehnte Beförderung erreicht haben, scheinbar unerklärliche Leistungsblockaden erfahren, die Lust an ihrer Arbeit verlieren und in einen Teufelskreis aus Demotivation, Schuldgefühlen und Versagensängsten geraten. Warum ist das so?
Mit dieser Frage beschäftigt sich "Authentische Karriereplanung", im August 2013 bei Springer Gabler erschienen. Geschrieben hat es Barbara Haag, Gründerin und Geschäftsführerin einer Unternehmensberatung. Ihr Erstlingswerk ist weit mehr als ein weiterer Beitrag zur ohnehin unüberschaubar Fülle der Selbsthilfe- und Ratgeberliteratur. Haags Fazit: Das gefürchtete "Ausbrennen" hat selten etwas mit zu hoher Arbeitsbelastung zu tun – und Motivation herzlich wenig mit äußeren Anreizen.
Nicht selten saßen Führungskräfte vor ihr, die sich selbst nicht erklären konnten, warum sie sich antriebslos fühlten, obwohl sie doch scheinbar "alles erreicht" und einen glänzenden Aufstieg von der Fach- zur Führungsfunktion hingelegt hatten. Haag begann zu forschen und Tests durchzuführen. Mehr und mehr wurde ihr klar, dass ein theoretischer Ansatz aus den frühen sechziger Jahren einen Teil der Erklärung lieferte, warum manche Menschen dauerhaft hoch motiviert sind und andere "ausbrennen". Der US-amerikanische Verhaltens- und Sozialpsychologe David McClelland hatte damals drei Motive unterschieden, die als "innere Antreiber" Menschen motivieren: Macht, Leistung und Freundschaft. Je höher die Übereinstimmung der eigenen, intrinsischen Motivstruktur mit den äußeren Anforderungen, desto höher das Gefühl von Zufriedenheit und dauerhafter Motivation, so McClelland.
In ihrer Arbeit mit Klienten konnte Barbara Haag feststellen, dass viel für die Validität von McClellands Theorie sprach. Häufig waren es Menschen mit einem starken Leistungsmotiv, die als Fachkräfte herausragende Leistungen erbracht hatten, die, plötzlich mit Führungsverantwortung konfrontiert, in eine tiefe persönliche Krise stürzten. Menschen mit diesem Motiv sind lösungsorientiert, ihr Motiv wird durch herausfordernde Aufgaben angesprochen. Nur solche Anforderungen ermöglichen es ihnen, dazuzulernen und besser zu werden. Ebenfalls charakteristisch für sie ist, dass sie sich nur kurz an erreichten Zielen freuen und sofort zum nächsten Gipfel stürmen.
In der Praxis sind es meist diese Mitarbeiter, denen man aufgrund ihres hohen Leistungsniveaus auch die Managementebene zutraut. Dabei machen sich weder Vorgesetzte noch der Beförderte selber klar, dass die neue Aufgabe ganz andere Motive anspricht. Statt akribisch Versuchsreihen durchzuführen, verbringt so beispielsweise der Wissenschaftler seine Zeit plötzlich in Mitarbeiter- und Budgetbesprechungen, die ihm als "Zeitverschwendung" erscheinen. In der Praxis passiert dann oft Folgendes: Der neue Chef delegiert nicht, vergräbt sich lieber weiter in der fachlichen Arbeit, frustriert so seine durchaus kompetenten Mitarbeiter. Die Besten gehen dann häufig zuerst, da sie sich am leichtesten neu orientieren können, und der Betroffene muss sich von seinen Vorgesetzten fragen lassen, wieso es ihm nicht gelang, Know-how und Potenzial im Unternehmen zu halten. Der einst Erfolgreiche erlebt plötzlich Rückschläge, Misserfolge und Frustrationen – und vergräbt sich noch weiter in dem, was er am besten kann: Sachaufgaben lösen. Schlimmstenfalls entgleiten ihm so ganze Projekte und Abteilungen, den Karriereknick bekommt er gratis dazu.
Nachdem Barbara Haag diese Mechanismen erkannt hatte, wurde ihr klar, dass sie nicht nur das Problem, sondern gleichzeitig auch die Lösung in Sachen "Motivation" sind. Denn wer seine eigenen Motive oder die seiner Mitarbeiter kennt, kann gezielt an diesem Punkt ansetzten und so aktive eigene Karriereentscheidungen treffen oder im Auswahlverfahren den geeigneten Kandidaten für die zu besetzende Stelle finden, ohne sich auf rein fachliche Aspekte verlassen zu müssen.
Haag und ihr Team feinjustierten McClellands Theorie, indem sie das Machtmotiv weiter in Autonomie, Wettbewerb und Vision unterteilten, und sie entwickelten ein Testverfahren, mit dem Motive entschlüsselt werden können. Denn ein Problem an der Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis war die Tatsache, dass zwar viele Menschen glauben, ihre Motivatoren zu kennen, dies aber nur bei ganz wenigen wirklich zutrifft. Das hat teils mit gesellschaftlichen Konventionen zu tun (so sind in europäischen Gesellschaften Macht und Einfluss oft negativ konnotiert), teils aber auch mit Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbild. Die Einschätzung der meisten Menschen entspricht eher einem idealisierten Selbstbild als der tatsächlichen Motivstruktur.
In "Authentische Karriereplanung" erklärt Barbara Haag die theoretischen Grundlagen der Motivlehre leicht verständlich. Sie erläutert, wie wir sie uns zunutze machen können, um Ziele zu erreichen, Erfolg zu haben oder ganz einfach mehr Zufriedenheit zu empfinden. Vor allem aber räumt sie mit Vorurteilen auf. Denn nicht jeder Wettbewerbsgetriebene ist ein unausstehlicher Machtmensch, der seine Untergebenen terrorisiert. Viele grgroße Führungspersönlichkeiten weisen ein ausgeprägtes Wettbewerbs- oder Visionsmotiv auf und leiten andere zu Höchstleistungen an, ohne deshalb streitlustige Despoten zu sein, was die Autorin anhand einer erstaunlichen Fülle kurzweilig zu lesender Beispielbiographien glaubhaft zu illustrieren weiß.
Den vorhersehbaren Einwand, dass nicht jeder das Privileg hat, sich den eigenen Berufsweg und seine Arbeitsaufgaben frei auszusuchen, mag sie nicht gelten lassen, denn, so Haag: Motive lassen sich nicht dauerhaft unterdrücken. Wer als Visionsmotivierter im beruflichen Bereich nicht die Gelegenheit bekommt, eigene Ideen umzusetzen, sollte sich den Raum dafür im außerberuflichen Raum schaffen. Aus Hobby, Nebentätigkeit oder Ehrenamt enstehen mitunter sogar zweite Standbeine und alternative Karrierewege – einfach, weil Motivation, Handlungs- und Überzeugungskraft plötzlich stimmen. Barbara Haag zeigt zudem auf, dass wir zwar unsere Motivstruktur nicht ändern können, aber sehr wohl in der Lage sind, Verhaltens- und Handlungsmuster, die sich eigentlich aus anderen als "unseren" Motiven ergeben, einzüben, wenn wir sie benötigen, um ein Ziel zu erreichen.
Alles in allem fordert das Buch dazu auf, Frust im Job nicht als gegebenes Schicksal hinzunehmen und sich darin einzurichten. Sein Praxisbezug und seine Orientierung an den tatsächlichen Bedürfnissen aller, die in Sachen Motivation Rat suchen, macht es zu einer Anleitung zum Handeln und zu einer Aufforderung, die eigenen Geschicke in die Hand zu nehmen. So besitzt es durchaus das Potenzial, allen, die sich in Sachen Karriere- und Lebensplanung mehr als Passagier denn als Steuermann empfinden, ein Stück Selbstbestimmung zurückzugeben.